Für Jonathan war es das erste Rennen nach einer längeren Zwangspause – ein Comeback mit Symbolcharakter. Vom Start im historischen Zentrum Peschieras aus schob sich das riesige Feld in Bewegung, begleitet vom metallischen Klicken unzähliger Pedale und dem leisen Nervenkitzel der ersten Rennsekunden. „So richtig zufrieden bin ich nur halb“, gibt Jonathan später zu. „Kopf war nach dem Sturz noch nicht ganz frei, und ich bin entsprechend vorsichtig gefahren.“ Die Strecke präsentierte sich von Beginn an in ihrem typischen Rhythmus: ein ständiges Auf und Ab durch die Weinberge des Veroneser Hinterlands, vorbei an Olivenhainen und kleinen Dörfern mit Blick auf das glitzernde Blau des Lago di Garda. Kaum Windschatten, dafür viel Bewegung im Feld – ein Kurs, der keine Routine erlaubt. Als sich auf den ersten offenen Passagen ein kräftiger Gegenwind baute, riss das Peloton auf. Trotz guter Startposition fand sich Jonathan in der zweiten Gruppe wieder – vorne etwa zweihundert Fahrer, außer Reichweite.
Dann der Übergang in den selektiven Mittelteil: der Anstieg nach San Zeno di Montagna, rund sieben Kilometer lang, im Schnitt sechs Prozent steil – ein Prüfstein für Rhythmus und Kopf. „Am Berg lief’s ordentlich, aber ohne letzte Konsequenz“, sagt Jonathan. „Ich war nie am Limit, aber pushen machte keinen Sinn – die Lücke war einfach zu groß.“
Kurz nach dem Gipfel wartete der gefürchtete „Muro del Garda“ – knapp zwei Kilometer Betonwand mit Rampen von bis zu zwanzig Prozent. Wer hier noch Reserven hatte, konnte sie zeigen; wer nicht, zahlte den Preis. Jonathan fuhr kontrolliert, dosiert, nahm das Tempo der Gruppe mit – ohne Harakiri, aber mit klarem Fokus. Oben öffnete sich der Blick über den See, und für einen kurzen Moment wich der Schmerz dem Staunen.
Die Abfahrt hinunter Richtung Süden verlangte dann Fingerspitzengefühl: feuchte Fahrbahn, Nebel in den oberen Passagen, enge Kehren. Gleich zu Beginn ein Sturz eines Mitfahrers – ein Anblick, der mahnt, das Risiko im Zaum zu halten. „Da war für mich klar: kein Risiko, kein Heldentum“, sagt Jonathan nüchtern. Im welligen Finale lief die Gruppe im Gleichschritt. Schnelle Abfahrten, kurze Gegenanstiege, Wind von vorn – die Dynamik eines Rennens, das nie zur Ruhe kommt. „Ein paar Kilometer vor dem Ziel hab ich’s noch einmal versucht – halbherzig, ehrlich gesagt. Zwei sind mitgegangen, aber wir wurden wieder gestellt. Für Platz 120, 130 ein Vollsprint? Das war’s nicht wert.“
Nach rund zweieinhalb Stunden Rennzeit rollte Jonathan ins Ziel von Peschiera del Garda – kein Jubel, kein Frust, sondern der stille Triumph des Wiedereinstiegs. Ein sauber gefahrenes Rennen, ohne Fehler, ohne Sturz – und mit der Gewissheit, wieder Teil des Pelotons zu sein. Nach einem Schlüsselbeinbruch ist es alles andere als selbstverständlich, im selben Jahr erneut auf einem kritisch anspruchsvollen Kurs wie diesem anzutreten. Wir sind stolz auf Jonathan, dass er diesen Schritt gegangen ist – kontrolliert, mutig und mit Blick nach vorn. Denn manchmal misst sich Erfolg nicht in Platzierungen, sondern im Mut, wieder an die Startlinie zu rollen.
Jonathan
97,5 km | 1190 hm
2:33:54
Overall: 147 | AK: 47
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